SOFIA – Götterdämmerung – 22. Mai – Gabriele Helbig

SOFIA
Götterdämmerung
22. Mai

Es ist geschafft. Pünktlich am 200. Geburtstag von Richard Wagner am 22. Mai kam der letzte Teil der „Ring“-Tetralogie in Sofia zur Aufführung – eine bewundernswerte und hoch zu lobende Leistung des Opernhauses. Die dortige Wagner-Tradition ist erst wenige Jahre alt. Umso interessanter ist es zu erleben, wie auf diese Weise ganz neue Aspekte, eine ungewohnte Frische im Umgang mit dem Stoff besonders in musikalischer Hinsicht entsteht. Da mag mancher gestandene, Bayreuth-erfahrene Wagnerianer die Nase rümpfen, weil betörend mystischer Schmelz bei den Streichern nicht immer satt ausgekostet wird, diese hin und wieder durch zwar präzise, aber raue Blechbläsereinsätze im fließenden Klang gestört werden. Umso erstaunlicher ist es, wie die Premiere der „Götterdämmerung“ vom ersten bis zum letzten Takt in eine Klimax hineinwächst, die mitreißt.

Eines der Highlights des Abends war die Begegnung von Brünnhilde und Waltraute im ersten Akt – ein eindringlich gestaltetes Kamerspiel der beiden Frauen, wie nicht besser sein kann. Tsveta Sarambelieva mit schlankem Mezzosopran als Waltraute, scheu, doch unerbittlich und keinen Widerspruch duldend in ihrem Flehen. Brünnhilde solle den Ring wegwerfen und ihn den Rheintöchtern zurückgeben – dieser Auftritt wird belohnt mit Zwischenapplaus des atemlos lauschenden Publikums. Und schon hier zeigt Mariana Zvetkova ihr enormes sängerisches und dramatisches Potenzial in der Rolle der Brünnhilde, die ihr auf den Leib geschrieben scheint. Bis zum letzten Ton reicht die Kraft ihrer bei aller Wucht klangschönen Sopranstimme. Nuancen von machtvollem Fortissimo bis zum zarten Hauch im Piano gelingen mühelos. Dazu hat sie eine klare nahezu akzentfreie verständliche Diktion de deutschen Sprache. Glücklicherweise stand ihr als gleichwertige Sängerkollege Kostadin Andreev zur Seite. Mit strahlendem Tenor und packender Spielfreude interpretierte er den Part des Siegfried.

Biser Georgiev (Alberich) und Atanas Mladenov (Gunther) mit wohlig timbrierten Baritonstimmen, Petar Buchkov als Hagen mit dunklem Bass, schließlich Tsvetana Bandalovska mit ausdrucksvollem Sopran als Gutrune vervollständigten die hervorragende Besetzung. Bei letzteren mag man dann gar nicht mehr erwähnen, dass noch an der Textverständlichkeit gearbeitet werden sollte. Denn das musste an diesem Abend peripher bleiben. Fein besetzt auch die Rollen der übrigen Walküren und der Nornen.

Erich Wächter führte den Taktstock, brachte das gut vorbereitete Opernorchester und den Chor (Violeta Dimitrova) zur derzeit wohl möglichen Bestleistung des Klangkörpers, der bisher eher Verdi gewohnt ist. Wille und Fähigkeiten der Musiker sind da, doch es ist noch ein Weg zu gehen bis zur Präsentation allerletzter Finesse im Orchesterklang.

Plamen Kartaloff führte wie auch in den vorangegangenen „Ring“-Teilen bewährt Regie, zauberte eine reich und vital differenzierte Welt in dem unverändert verwendeten modernen, aber nicht aufdringlichen Design von Nikolay Panayotov und erreichte somit eine Einheitlichkeit. Dieses Konzept ist beste Voraussetzung dafür, hier ein ganz neues, auch junges Publikum dauerhaft anzulocken. Frenetische Beifallsbekundungen im Saal waren verdienter Lohn für das ganze Team.

Gabriele Helbig

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